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Material zu den Fragen des Philomaten



FrageZur Frage ›Weltwissen 4‹
ErläuterungWarum ist das Cogito-Argument falsch?
Bei der Frage nach der Existenz sicheren Wissens muss aus moderner Sicht in jedem Fall das Descartessche Cogito-Argument aus der Welt geschafft werden. Denn es gehört zum anerkannten (Main-) Stream fast aller philosophischen Richtungen, dass es einen klassischen Archimedischen Punkt wie das Cogito nicht gibt.
Was es aber auch nicht gibt, das ist ein Aufsatz oder ein Buch, in dem stichhaltig und detailreich das Cogito-Argument widerlegt und zertrümmert wird. (Dabei ist das Argument selbst natürlich auf den ersten Blick so plausibel, dass es einem geneigten Schüler einleuchten muss und nur schwer wieder zu vertreiben ist. Eben darin besteht deshalb die Aufgabe.)

Um das Argument zu widerlegen, muss man darauf hinweisen, dass Descartes' Betrachtungen nicht in jeder Hinsicht differenziert sind. Sie leiden unter der nicht vorhandenen Trennung von Sprache und Wissen einerseits sowie Sprache und Welt andererseits. Mindestens die nachfolgenden Aspekte dieses Mangels sollten herausgearbeitet werden.
a) Das Cogito-Argument ist semantischer (sprachlogischer) Natur. Es sagt also nur etwas über einen Sprachgebrauch, nicht aber notwendigerweise etwas über die Welt.
Der Sprachgebrauch, über den es etwas sagt, ist der Sprachgebrauch von Verben im allgemeinen: Zur berechtigten Äußerung eines Verbes gehört nämlich die (sprachliche) Voraussetzung, dass es ein Objekt gibt, das die Tätigkeit des Verbes ausführt. Diese sprachliche Voraussetzung gilt auch für ›zweifeln‹ oder ›denken'. Aus der sprachlichen Voraussetzung folgt aber nicht das Gegebensein der tatsächlichen, der sachlichen Voraussetzung.
Thematisch gehören sprachlogische Betrachtungen wie diese zum Bereich ›Präsuppositions-‹ oder ›Voraussetzungsphänomene‹ (Literatur siehe unten.) Im Übrigen ist die Sprache voll mit solchen Voraussetzungshänomenen, und schon dies alleine rechtfertigte eine eigene kleinere Unterrichtseinheit.
b) Das »Ich denke« gehört im Zusammenhang der Descartschen Argumentation zur Sphäre des Erkennens, das »also bin ich« aber zur Sphäre dessen, was es gibt. Wenn Descartes nun von der einen Sphäre auf die andere schließt, dann schließt er philosophisch vornehm gesprochen vom Bereich des Epistemischen auf den Bereich des Ontischen. Das aber ist nicht erlaubt, es ist schlicht ein Fehlschluss. Man kann diesen Fehlschluss durchaus einen epistemisch-ontischen Fehlschluss nennen. (Zusammen mit den semantischen Betrachtungen zum Cogito-Argument aus a) erkennt man sogar strukturelle Ähnlichkeiten zwischen diesem epistemisch-ontischen Fehlschluss und dem Fehlschluss im ontologischen Gottesbeweis.)
c) Aus a) und b) ergibt sich: Das ›ich‹ des »ich denke« ist nicht dasselbe ›ich‹ wie im »also bin ich«.

Literatur
Zum Problem der Voraussetzungsphänomene: Kreiser/Gottwald/Stelzner (Hrsg.): Nichtklassische Logik. Eine Einführung. Berlin 1990.
Um die Seite 350 herum finden sich folgende ausgezeichnete Beispiele für Voraussetzungsphänomene: Eigennamen und bestimmte Kennzeichnungen (Karl hat die schöne Frau geküßt. Voraussetzungen: Es gibt Karl. und Es gibt die schöne Frau.), faktive Verben (Karl weiß, daß Leipzig eine Messestadt ist. Voraussetzung: Leipzig ist eine Messestadt.), irreale Konditionalsätze (Wenn Karl rechtzeitig gekommen wäre, hätten wir ins Theater gehen können. Voraussetzungen: Karl ist nicht rechtzeitig gekommen. (und Wir sind nicht ins Theater gegangen.)), Partikel wie »auch« (Auch Karl hat geraucht. Voraussetzung: Jemand, der nicht Karl ist, hat geraucht.) und »noch« (Karl ist noch größer als Peter. Voraussetzung: Peter ist groß. (deutlicher: Peter ist größer als normal.)).
Noch ein inhaltlicher Hinweis: Durch den Gebrauch von Worten, die an eine Voraussetzung gebunden sind, und das gleichzeitige Nicht-Bestehen dieser Voraussetzung stellen sich oftmals verwirrende Situationen ein, die durch Nachfragen geklärt werden müssen, beispielsweise wenn man im Restaurant ein Gericht ohne Reis bestellt, das aber gemäß Speisekarte sowieso ohne Reis, hingegen mit Pommes Frittes serviert wird.

Wenn man mehr möchte (und bitte nur dann), zusätzlich: Fraassen, B.C. van: Presuppopositions, implication, and self-reference. In: The Journal of Philosophy, 65, 1968, 136-152. (Vorsicht, das ist zwar schön, aber auch anstrengend, denn es stellt das Lügner-Paradoxon in die Problemklasse der Voraussetzungsphänomene.)

Für den ontologischen Gottesbeweis: John L. Mackie: Das Wunder des Theismus. Stuttgart 1985, dort das entsprechende Kapitel.
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Aktualisiert: 06/12/2008

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